"Kinder haben kein Burn-out"
Thomas Brezina

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Er sitzt im Flieger von Indien nach Wien, als er das Mail mit der Interviewanfrage öffnet. Davor hatte Thomas Brezina noch ein lustiges Foto von seiner Kur gepostet: „Zum letzten Mal Ayurveda-Ölsardinen-Punk“, schrieb der Autor auf Instagram. Samstagmorgen, zurück in Wien, schwärmt er bei einem Frühstück im Cafè Dommayer noch immer von der „tiefsten Erholung, die ich kenne“.
Seit zwölf Jahren fliegt Brezina zu Dr. Vijay, der eine Ayurveda-Klinik an einem indischen Fluss betreibt. Dort tankt der Autor, ohne den es keinen „Tom Turbo“, keine Knickerbocker-Bande und kein „Okidoki“ gäbe, Kraft für neue Projekte. Und - als Pendler zwischen Wien und London - auch Kraft für den am 29. März 2019 geplanten Brexit.

Sie sehen sehr erholt aus. Was ist anders nach einer Woche Ayurveda?
Alles. Völlig abgeschirmt von allem zu sein tut so gut. Da helfen 7000 Kilometer Entfernung enorm. Der Körper ist entspannt, der Geist entspannt sich und auch der Kopf. Da fällt einem wieder unendlich viel ein. Ich habe ein ganzes Notizbuch vollgeschrieben. Aber das Tollste ist: Die Erholung lässt nicht nach, jetzt wo ich zurück bin, sie wird sogar noch stärker in den nächsten drei, vier Wochen. Deshalb mache ich das jedes Jahr.

Am kommenden Dienstag findet in London die Brexit-Abstimmung statt. Mit welchem Gefühl sehen Sie ihr entgegen?
Mit einem ganz klaren Wunsch: Dass dieser Brexit nie stattfinden möge.

Ist das nicht ein frommer Wunsch?
Die Situation ist dermaßen außer Kontrolle geraten, dass niemand mehr sagen kann, was passieren wird. Aus meiner Sicht wird Mays Deal am Dienstag abgewählt. Ich hoffe noch immer auf eine zweite Abstimmung.

Wäre das korrekt? Zuerst das Volk zu befragen und dann, wenn nicht das gewünschte Ergebnis kommt, noch einmal abzustimmen?
Der Wille des Volkes liegt zwei Jahre zurück. In dem populistischen Wahlkampf wurden viele Unwahrheiten verbreitet. Heute sieht es völlig anders aus. Ich glaube nicht, dass der Brexit heute noch der Wille des Volkes wäre. Im Hintergrund laufen, wie ich höre, viele Gespräche. Zu einem „No Deal“-Brexit wird es nicht kommen.

Was hat diese Abspaltung mit Ihnen gemacht?
Seit dem Referendum hat sich etwas in mir verändert. Vorher war ich hier zuhause und dort zuhause. Wir waren alle eins, wir haben zusammengehört. Jetzt fühle ich mich dort - fremd wäre der falsche Ausdruck. Aber nicht mehr so willkommen.

Werden Sie Großbritannien verlassen?
Das nicht, aber ich bin jetzt weniger dort. Nur noch ungefähr 30 Prozent der Zeit. London ist für mich keine zweite Heimat mehr, nur noch ein zweiter Wohnort. Es wird aber immer Kraftplatz und Inspiration für mich bleiben.

Wie geht es Ihren britischen Freunden?
Fast alle sind entsetzt und geschockt, was im Moment passiert. Das Pfund ist dramatisch gefallen, die Wirtschaftsprognosen sind schlecht. Der Bruch in der Bevölkerung wird immer stärker. Einer meiner Freunde hat irische Wurzeln und hat jetzt eine Doppelstaatsbürgerschaft beantragt, weil er EU-Bürger bleiben will. Andere sind verzweifelt, weil sie nicht wissen, was der Brexit wirklich für sie bedeuten wird.

 

 

 

Sind sie alle gegen den Brexit?
In Künstlerkreisen gibt es keinen einzigen, der für den Brexit ist. Ich muss allerdings sagen, dass einer meiner besten und liebsten Freunde sich als militanter Befürworter des Brexit herausgestellt hat. Er wiederholte gebetsmühlenartig Dinge, die nachweislich falsch sind, redete sich mir gegenüber richtig in Rage. Es war unerträglich, es ging einfach nicht mehr. Die Freundschaft ist auseinandergegangen.

Halten Sie es für möglich, dass die momentane Entwicklung einmal Thema für ein Buch sein könnte?
Nein. Weil ich glaube, dass das Kindern völlig gleichgültig ist. Das Einzige, was mir dazu einfällt: Man muss jetzt abwarten, was die Zeit bringt.)

Ist Schreiben für Sie Lust oder Qual?
Wenn es im Kopf Klick macht und eine Geschichte zu wachsen beginnt, wenn ich dem folge und es immer weiter reifen lasse, dann ist es Lust. Es gibt aber auch Tage, an denen es mühsamer ist, und wo ich trotzdem professionell sein muss. Ich habe gelernt, nichts zu erzwingen. An solchen Tagen versuche ich mich abzulenken, damit es am nächsten Tag wieder besser läuft.

Schreiben Sie besser in Wien oder in London?
In London ziehe ich mich alleine zurück, Ivo kommt nur zum Wochenende. Da versinke ich völlig in eine Geschichte hinein und habe praktisch kaum Alltag. In Wien muss ich mich mehr disziplinieren, vor allem wenn „Joppy“ an der Tür kratzt und spazieren gehen möchte. Das ist vielleicht der Unterschied, aber im Endeffekt kann ich überall schreiben.

Insgesamt waren es mehr als 560 Bücher, zuletzt auch eines für Erwachsene: „Tu es einfach und glaub daran“. Stimmt es, dass der Titel das Lebensmotto Ihres Mannes Ivo ist?
Ja, das stimmt. Als ich ihm eines Tages meine Zweifel anvertraute, stand er auf, nahm mich an den Schultern, hat mir in die Augen geschaut und sagte: „Just do it and believe.“ Ich dachte mir: „Er hat so recht!“ Im März erscheint bereits das nächste Buch in dieser Reihe: „Die Freude-Notfall-Apotheke“. Eine der Quellen zu mehr Lebensfreude ist meiner Erfahrung nach, sich als Erwachsener die Unbefangenheit und Spielfreude der Kinder zu bewahren. Einfach öfter mal herzhaft blöd sein. Kinder haben kein Burn-out. Sie sind nicht erschöpft. Sie spielen bis zum Umfallen und dann schlafen sie ein.

Wie sieht das bei Ihnen aus, wenn Sie „herzhaft blöd“ sind?
In London gibt es zu Weihnachten immer diese Ringelspiele mit den Pferden und der lustigen Musik. Da setze ich mich drauf und fahre meine Runden. Da sieht man die Welt aus einer ganz anderen Perspektive. So kann jeder mehr Freude in sein Leben bringen, wenn er es sich nur erlaubt.

2004 hat Google Sie schon mal für tot erklärt. Denken Sie seither anders über das Ende?
Meine Endlichkeit ist mir sehr bewusst geworden, seit ich 50 bin. Da wurde mir so klar, dass die Zeit, die vor mir liegt, 50 Jahre sein können, aber vielleicht auch nur zehn Jahre. Diese Zeit will ich optimal nützen, egal wie lange sie dauert. Ich will noch viel erschaffen und es mit dem Ivo und meinen Freunden schön haben.

Sie sind auch sozial sehr engagiert: Als UNICEF-Botschafter, als Botschafter für Partnerhunde, bei der Volkshilfe. Würden Sie sich zu den Regierungskritikern zählen?
Ein eisernes Gesetz von mir ist, mich nicht parteipolitisch zu äußern, und das werde ich auch hier nicht brechen. Gleichzeitig muss uns allen klar sein, dass es vielen Menschen nicht gut geht und dass wir deshalb eine Verpflichtung haben, sie zu unterstützen. Hilfe zur Selbsthilfe geben, das halte ich für etwas sehr Kluges.

Was soll man einmal über Thomas Brezina sagen?
Er hat Freude bereitet. Nicht nur den Kindern. Mein Verleger Bernhard Salomon nennt mich „Botschafter der Freude“. Ich will das wirklich sein.

13. Jänner 2019, erschienen in der KRONE