Der Name Gandhi hilft mir enorm
Maneka Gandhi

zurück zur Übersicht

bild_01

Die Schwiegertochter von Indira Gandhi ist zu Besuch in Wien: Den großen Namen trägt Maneka Gandhi wie ein Adelsprädikat. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht die 56-jährige indische Umwelt-und Tierschützerin darüber, was sie nach Österreich führt, die Tragödien der Familie Gandhi und ihren Kampf für eine bessere Welt.

Sie könnte auch im "Sacher" wohnen oder im neuen "Ritz". Aber die Inderin hat in einem Wiener Vorstadthotel Quartier bezogen. "Ist doch unwichtig, wo man übernachtet. Ich komme zu Hause auch mit 20 Quadratmetern aus", zuckt sie mit den Achseln.

Dann erzählt Maneka Gandhi von ihren Mitbewohnern im 200 Jahre alten Haus mitten in Delhi. "Ich teile es mir mit 24 Hunden, mit Pfauen und Papageien. Rundherum ist ein Dschungel angelegt mit Bäumen, die vom Aussterben bedroht sind. Ich bekomme oft Besuch von kleinen Äffchen." In dem Haus hat "People for Animals" seinen Sitz – eine Dachorganisation praktisch aller Tierschutzaktivitäten in Indien mit 30.000 Mitgliedern.

Mrs. Gandhi, was führt Sie nach Österreich?
Die Energy Globe Awards. Sie werden am Donnerstag im Wiener Rathaus an herausragende Energie-Pioniere verliehen. Ich sitze schon seit einigen Jahren in der internationalen Jury dieser weltweit größten Umweltplattform. Und neben mir sitzt ihr Gründer (der Oberösterreicher Wolfgang Neumann, Anm.).

Wie hängen dieses Engagement und Ihr Kampf für Tierschutz in Indien zusammen?
Alles hängt zusammen. Die Menschen, die Tiere, die Umwelt. Wir haben die falsche Vorstellung, dass die Tiere von uns abhängig sind. Aber wir sind von ihnen abhängig. Wenn wir ihnen Leid zufügen, dann schädigen wir auch uns Menschen und die Umwelt.

Sie sollen in Indien gefürchtet sein für Ihren Aktivismus. Ist das richtig?
In meiner Funktion darf man nicht zimperlich sein. Wir legen Schlangenschmugglern das Handwerk – in Indien glauben manche Männer noch immer daran, dass Schlangenblut potenzsteigernd ist, und deshalb werden die Schlangen grausam aufgeschlitzt. Wir nehmen Tiere von der Straße auf, auch blinde und dreibeinige, die Menschen bringen uns manchmal 50 Schildkröten ins Haus, die sie gerettet haben. Wir machen auch Lobbying für Gesetze und kämpfen vor Gericht. Ich habe sogar eine kleine Fernsehsendung. Wir sind überall.

 

Machen Sie das für die Tiere, was Mahatma Gandhi einst für die Menschen gemacht hat?
Diese Frage ärgert mich ein bisschen, denn man kann weder Tiere mit Menschen noch zwei verschiedene Personen miteinander vergleichen. Ich glaube einfach, dass die respektvolle Behandlung von Tieren vor allem uns Menschen und der Umwelt zugutekommt.

Sie waren zwei Jahre lang Umweltministerin in Indien. Was haben Sie erreicht?
Wir haben in dieser kurzen Zeit die ersten Umweltgesetze beschlossen, sie sind bis heute in Kraft. Darauf bin ich noch immer stolz, obwohl es lange her ist.

Wie war Ihre Beziehung zu Indira Gandhi?
Solange mein Mann am Leben war, gut. Nach Sanjays Tod haben wir uns entfremdet.

Ihr Mann ist bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, Ihre Schwiegermutter wurde bei einem Attentat getötet. Wie haben Sie diese schrecklichen Ereignisse erlebt?
Du vergisst es nie. Außerdem waren es nicht die einzigen Tragödien. Mein Vater wurde ermordet, mein Bruder ist gestorben, bevor ich 13 Jahre alt war. Das Leben geht weiter. Wirklich geliebte Menschen sind nach dem Tod nicht aus dem Leben verschwunden.

Ist der Name Gandhi eine Last oder eine Auszeichnung?
Ich glaube daran, dass ich diesen Namen nicht grundlos trage. Ich nutze mit ihm jede noch so kleine Chance, den Schwächsten der Schwachen zu helfen. Der Name Gandhi hilft mir dabei enorm.

Ihr Sohn Varun sitzt auch im indischen Parlament. Soll er einmal Premierminister werden?
Ganz ehrlich: Premierminister zu sein ist keine Belohnung, sondern eine Strafe, denn man kann in Wahrheit gar nichts bewirken. Wenn er also genug Schlimmes anstellt, könnte es schon passieren.

Was wollen Sie am Ende Ihres Lebens erreicht haben, Frau Gandhi?
Ich habe eine Liste mit ungefähr 82 Punkten auf meinem Schreibtisch liegen, nur für Tiere. Die Liste für Menschen ist genauso lang. Energy Globe ist ein ganz wichtiger Punkt. Wenn ich fünf oder sechs davon abhaken kann, dann war mein Leben nicht umsonst.

Was ist Ihr Ziel beim Energy Globe?
Wir müssen es schaffen, dass die neuen Technologien der Energiegewinnung auch in jene Länder kommen, die sie am dringendsten brauchen: Asien und Südamerika. Indien hat 1,4 Milliarden Einwohner, von denen 70 Prozent keinen Zugang zu Elektrizität haben. Und dann kommt Amerika und zwingt uns, 29 Atomkraftwerke zu bauen, eines davon mitten im Meer. Leider forciert das auch Barack Obama.

Würden Sie gerne mit dem amerikanischen Präsidenten darüber sprechen?
Ich glaube, es hätte keinen Sinn. Die USA betrachten den Rest der Welt als ihren Marktplatz. Ich habe mit Al Gore gesprochen, er versteht, worum es geht. Nur hat er leider keinen Einfluss mehr.

12. September 2012, erschienen in der KRONE