„Nichts ist mir so wurscht wie mein Alter”
Marianne Mendt

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Ihr Gesicht scheint so vertraut wie ihre Stimme. "Kaffee?" fragt Marianne Mendt und huscht in die Küche. Die Jazzwerkstatt in der Wiener Laudongasse ist ihr Reich. Dort plant die stimmgewaltige Sängerin das Jazzfestival und bildet Nachwuchskünstler aus. Noch schnell ein bisschen Farbe ins Gesicht, "obwohl's eh nichts nützt", wie sie lachend zugibt. Dann nimmt sie, gemeinsam mit Terrier- Dame "Jazzy", auf der roten Ledercouch Platz. Die "Youngsters" haben ihr einen Strauß mit vierblättrigem Klee und eine Geburtstagstorte mitgebracht.
Am kommenden Dienstag wird die Königin des Austropop ("A Glock'n, Die 24 Stund'n Leit'") 70. Ein Geburtstags- Interview, wieso nicht? "Jazzy" hört während des gesamten Gesprächs aufmerksam zu. "Alles verträgt sie, nur keinen Applaus", erzählt Marianne Mendt. "Da fängt sie an wie wild zu bellen. Sie weiß nicht, dass Frauchen nur so 'Knochi' verdient..."

Frau Mendt, wann war der Zeitpunkt, wo Sie angefangen haben, sich innerlich auf die Zahl 70 vorzubereiten?
Nichts ist mir so wurscht wie mein Alter. Natürlich denke ich manchmal: Wo ist die Zeit hin? Es ist alles so schnell gegangen. Aber das habe ich mit 40 und 50 auch schon gedacht. Ich habe bis jetzt sehr intensiv gelebt und werde das weiter tun. Bis ich umfalle.

Stellen Sie sich so Ihr Ende vor - einfach umzufallen?
Ja, es soll  ganz schnell gehen, ohne dass ich es weiß. Ich glaube, das wünscht sich jeder: Lieber von einem Ziegelstein erschlagen zu werden als langsam dahinzusterben.

Macht der Siebziger nachdenklich?
Mich nicht, obwohl das Ende langsam näher kommt. Es kann aber auch schon morgen aus sein. Ich verdränge es, so unter dem Motto: Was geht mich mein Tod an? Mit dem kann ich mich später beschäftigen.

Ab wann ist man alt?
Ab dem Moment, in dem man zum Denken aufhört und keine Perspektiven,  keine Ideen und keine Ideale mehr hat und sich nur noch Leid tut.

Welche Perspektiven und Ideen haben Sie?
Ich will mit 70 zum Komponieren anfangen, ich will Chorusse auschecken, mich hinsetzen und üben. Klavier, vielleicht spiele ich auch wieder Bass.

Ist Ihre gewaltige Stimme schwächer geworden mit den Jahren?
Nein, stärker. Die Resonanz wird immer größer, ich komme jetzt fünf Töne tiefer als vor 30 Jahren. Das macht die Lebenserfahrung, glaube ich. Und es spielt mit, dass ich eigentlich immer gesund gelebt habe.

Nie Drogen ausprobiert?
Zwei Mal. Kokain. Ich habe null gespürt. Ich hätte die Dosis erhöhen müssen, aber das wollte ich nicht, um nicht in eine Abhängigkeit zu kommen.

Aber Sie rauchen.
Ich rauche und trinke auch gern meinen Wein.


 

Keine Angst vor Lungenkrebs?
Und wenn, hat es mir geschmeckt bis dahin. – Lacht.

Hat man mit 70 nicht schon ziemlich viele Wehwehchen?
Ich glaube, dass der Körper manipulierbar ist. Sicher, wenn ich etwas Gravierendes habe, gehe ich zum Arzt. Ich hab’ mir zum Beispiel ein neues Knie einbauen lassen. Aber Kleinigkeiten negiere ich.  Das funktioniert, weil so verschwinden sie von selber wieder.

Sie stehen seit 50 Jahren auf der Bühne. Was empfinden Sie als größten Erfolg Ihres Lebens?
Mein Kind.

Ohne nachzudenken?
Ja, Annas Geburt war das schönste Erlebnis, das ich hatte. Gut, dass Frauen dieses tiefe Gefühl nicht kennen. Sonst wären sie nur noch traurig.

Können Sie das Gefühl in einem Satz beschreiben?
Wenn du ein Kind zur Welt bringst, dann geht eine  Tür in deinem Herzen auf, von der  es noch viel, viel tiefer in dich und das Leben hineingeht.

Sie gelten auch als "Mutter" des Austropop, gefallen Ihnen Ihre Lieder heute noch?
Ich bin kein Fan von mir. Ich weiß zwar, dass ich recht gut bin, so viel Selbstbewusstsein hab’ ich schon, sonst hätte ich mir davon nicht völlig unabhängig von einem Mann eine Existenz aufbauen können.

Hat es sich auch finanziell ausgezahlt?
Ich bin zufrieden. Reich  bin ich nicht, weil ich immer eine Reproduziererin war, aber ich habe eine schöne Wohnung, ich habe ein Haus gebaut und ein Kind studieren lassen. Ich war immer für mich selbst verantwortlich, und das würde ich auch jedem raten. Unabhängig zu bleiben, Perspektiven zu haben, dann ist das Leben spannend und schön.

Wenn es einmal nicht mehr schön sein sollte, sondern nur noch weh tut, würden Sie sich dann helfen lassen, um gehen zu können?
Ein Freund von mir hat immer Tabletten dabei. Vielleicht frage ich ihn einmal, woher er sie hat, für den Fall der Fälle. Ich glaube, wenn ich merken würde, das gar nichts mehr geht, dann würde ich ein Tabletterl oder zwei schlucken, damit es vorbei ist.

Sie sagen das ganz fröhlich.
Weil es so weit weg ist. Und weil ich’s immer gern lustig hab'. Da war schon als Kind so. Ich war immer lieber der Hanswurst als die Prinzessin.

Was soll man einmal über Marianne Mendt sagen?
Wenn man überhaupt noch über mich spricht, dann vielleicht das: Sie hat es nicht schlecht gemacht.

Wo sehen Sie sich mit 90?
Bestenfalls auf der Bühne. Ich habe meiner Tochter und auch all meinen Musikern gesagt: Bitte, wenn es einmal peinlich werden sollte, holt mich runter! Es gibt ja manche, die sich selbst überschätzen und von den Brettern, die angeblich die Welt bedeuten, gar nicht mehr runterzukriegen sind. Als realistisch denkender Mensch werde ich das hoffentlich im Vorfeld erkennen. - Denkt kurz nach. - Andererseits: Man kann auch im Sitzen sehr gut singen. - Und lacht.

26. September 2015, erschienen in der KRONE