Lachen ist ein pazifistischer Akt
Bernhard Paul

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Hereinspaziert! Bernhard Paul sitzt in seinem Wohnwagen, auf einem Stuhl von Versace, am großen Tisch aus Palisanderholz, als sich die Presseagentin von "Roncalli" wie vereinbart Samstagmittag bei der "Krone" meldet. "Hallooo" brummt der Zirkusdirektor vergnügt in ihr iPhone, "wen haben wir denn da?" Sein Handy liegt vor ihm und wenn es klingelt, ertönt "Start me up" von den "Rolling Stones", und dann summt Paul mit, "ich bin total kindisch, wissen Sie".
Vor ihm steht die dritte Tasse Espresso, von den Zelten draußen am Messegelände dringt der süße Geruch von Popcorn und kalter Luft. Es ist der Tag nach der Graz- Premiere. "Das Publikum hat gar nicht aufgehört zu klatschen!", schwelgt der 69- Jährige in Erinnerungen. "So ein Glücksgefühl hält ja an bis zum nächsten Abend, da kommt dann schon das nächste." Dieser Mann verbreitet mit jedem Satz glänzende Laune.

"Roncalli" auf Jubiläums- Tournee: Warum tingelt man nach 40 Jahren noch immer mit dem Zirkus von Stadt zu Stadt?
Warum ist Keith Richards immer noch auf Tour? Der ist vier Jahre älter als ich. Weil er nicht anders kann. Picasso hat im hohen Alter auch nicht aufgehört zu malen. Künstler haben überhaupt nicht das Recht, in Pension zu gehen.

Zirkus auf ewig?
Solange ich gesund bin. Und wenn ich nicht mehr gesund bin, geht es trotzdem weiter. Ich bin ja dabei, meine Kinder - alle drei! - langsam einzuführen in diesen schwierigen Beruf. Es ist ja bei uns nicht so, dass man einfach Welthandel studiert und die Feuerlöscherfabrik des Vaters übernimmt. Zirkus muss man erleben, Zirkus ist unberechenbar! Was glauben Sie, was da alles passieren kann.

Was denn?
Von Sturmwarnung bis Überschwemmung. Alles, was kippt, muss gesichert sein. Artisten und Tiere können krank werden. Ich habe schon Pferde kotzen gesehen. Deshalb bin ich eine Art Schutzengel für meine Kinder, sie kriegen mehr und mehr Verantwortung und ich gehe mehr und mehr einen kleinen Schritt zurück, aber ich bin noch immer da.

"Roncalli" zahlt 400.000 Euro pro Monat Löhne, stand in der "Zeit".
Das ist eine Untertreibung. Mein Steuerberater hat mich darauf aufmerksam gemacht. Wir sind mittlerweile bei über 600.000 Euro und 150 Mitarbeitern. Und Sie wissen ja: Man muss immer das Doppelte verdienen, weil die Hälfte nimmt einem die Steuer weg.

Sie stehen mit bald 70 noch selbst in der Manege ...
Nicht immer, aber immer wieder. Manchmal muss ich zu Pressekonferenzen fliegen, in anderen Städten die nächsten Premieren bewerben. Oder bei Proben dabei sein. Also mich zerreißt's.

... und zwar in Ihrer Paraderolle als Clowns "Zippo": Wie würden Sie seine Aufgabe definieren?
Antiheld. Mir sind zu viele Helden unterwegs in diesen Zeiten. Rambos, Kriegshelden, Machos. Ich liebe Antihelden. Als Clown bringe ich die Leute zum Lachen. Lachen ist ein pazifistischer Akt. Wenn jemand lacht, kann er niemanden umbringen. Künstler sind meistens Pazifisten, besonders Clowns, Köche und Maler.

Wie sind Sie Clown geworden?
Ich habe als Kind im Zirkus einen Clown gesehen. Er wurde später mein Lehrmeister und Partner über Jahre, mittlerweile ist er leider schon gestorben. Freddy wollte sich damals zur Ruhe setzen, aber ich wollte ihn engagieren und habe ihn gelockt: "Schau, wir machen eine Clownnummer und danach werden wir gemütlich auf einer Wohnwagenterrasse sitzen und Erdbeeren mit Schlagobers essen. Die Sonne wird scheinen und Musik wird spielen!" Er ließ sich überreden, und es ging sowas von ab! Fernsehstudios, Rudi Carrell Show, kein freier Tag. Als wir eines Tages wieder über den Frankfurter Flughafen hetzten, blieb Freddy kurz stehen, drehte sich um und sagte: "Auf der Wohnwagenterrasse werden wir sitzen und Erdbeeren mit Schlagobers essen!" Das war dann ein geflügeltes Wort, immer wenn wir Stress hatten, sagten wir: "Auf der Wohnwagenterrasse werden wir sitzen ..." Als Freddy endgültig aufgehört hat, habe ich ihn in seinem Haus in Wien besucht und dann sind wir im Garten gesessen und er hat seine Frau geschickt, um Erdbeeren mit Schlagobers. Dann hat er gesagt: "Siehst du, Pauli, JETZT essen wir Erdbeeren mit Schlagobers."

 

Wer war in Ihren Augen der beste Clown?
Grock. Er war eine faszinierende Figur, ein Multitalent! Er hat nicht nur zehn Sprachen gesprochen, fließend, er hat auch 15 Instrumente gespielt, perfekt. Er hat komponiert, Musik, er hat Filme produziert und gedreht, er hat eine Villa entworfen, in Italien, am Meer, die ist so ausgefallen, man steht dort und sagt: "Boah!" Als man ihn einmal gefragt hat: "Herr Grock, was ist das für ein Stil?", hat er geantwortet: "Das ist Grockoko." Ich wollte die Villa einmal kaufen, aber dann kam eine neue Regierung und hat alle Pläne über den Haufen geworfen.

Sind Clowns ein bisschen aus der Mode gekommen?
Clowns haben nur zwischendurch andere Namen ... Im Fernsehen heißen sie Comedians.

Wie viel Geld kann man als Clown verdienen?
Wie man an Grocks Villa sieht, kann ein Clown sehr gutes Geld verdienen.

Wie viel hat "Zippo" verdient?
Der hat auch ein Haus am Meer. Mallorca. Selber entworfen. – Brummt und kichert.

In Österreich sorgen derzeit Horror- Clowns für Aufregung.  Sie tragen blutverschmierte Masken und jagen Leuten mit Kettensägen, Macheten und Messern Angst ein. Was sagt "Zippo", der Clown, dazu?
Der Schutzheilige der Zirkusclowns ist Charlie Chaplin und in Deutschland bestenfalls noch Loriot, also sympathische Figuren, die man liebt. Dieses unheimliche Treiben hat mit dem ehrenwerten Beruf des Clowns überhaupt nichts zu tun, nicht einmal im Geringsten. Ein Clown ist ein liebenswürdiger Mensch, der uns zum Lachen bringt und nicht zum Fürchten.

Gruselt Sie vor diesen Clowns?
Ja, wenn man die nur schon sieht mit ihren Plastikmasken! Mir hat schon als Kind vor Plastik gegruselt. Ich wollte immer lieber mit Holz spielen. Die Kostümierung dieser Gestalten ist die eine Sache. Dass sie sich ungestraft Clowns nennen, ist die andere. Aber wenn sie dann auch noch mit Sägen und Knüppeln auf Leute losgehen, dann sind es Kriminelle, dafür ist die Polizei zuständig. Die Geschichte wird das aushalten. Die werden so schnell verschwinden, wie sie gekommen sind.

Nicht zu Halloween. Da rechnet die Polizei mit deutlich mehr Übergriffen von Grusel- Clowns.
Also ich bin ja nicht so ein Amerika- Fan. Außer den Care- Paketen ist mir alles, was von dort kommt, nicht sonderlich sympathisch. Sei es Halloween, Starbucks oder Coca Cola.

Trinken Sie nie Cola?
Nur in äußersten Notfällen. Das Liebste, was ich trinke, ist Wasser aus der Wiener Wasserleitung. Ich komme ja viel in der Welt herum, und nur wer gereist ist, weiß das Wiener Wasser zu schätzen.

Haben Sie für Politclowns mehr Verständnis als für Horror- Clowns?
Der ehemalige deutsche Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat nach den Wahlen in Italien, wo Berlusconi und Grillo dabei waren, gesagt: "Schade, dass zwei Clowns die Wahlen gewonnen haben." Damals schrieb ich ihm einen offenen Brief, der in ganz Europa zitiert wurde. Clown ist ein ehrenwerter Beruf! Man kann Politiker einfach nicht mit Clowns vergleichen.

Auch Donald Trump wird gerne so bezeichnet.
Es ist doch ganz einfach. Bringt Trump uns zum Lachen? Nein. Er bringt uns eher zum Weinen. Deshalb kann er kein Clown sein. Auch der sogenannte Formel- 1-Zirkus hat ja nichts mit dem Zirkus zu tun.

Oder der Flohzirkus EU.
Da würde ich ein Auge zudrücken. In der EU gibt es schon manche geistige Flöhe. Aber Namen nenn ich jetzt keine, falls Sie mich das fragen!

Was würden Sie machen, wenn Ihnen am nächsten Wochenende ein Grusel- Clown begegnet?
Bernhard Paul überlegt keine Sekunde und wechselt in den Dialekt. – Ihm a Mordstrumm Watsch'n obahaun.

23. Oktober 2016, erschienen in der KRONE