Grauslich, der politische Einfluss
Armin Wolf

zurück zur Übersicht

ORF-Anchorman Armin Wolf über sein Comeback, das vom Nationalrat beschlossene neue ORF-Gesetz und warum für die "ZiB 2" der Vollbart ab musste.

Es ist eine letzte, heftige Woche für den Anchorman der ZiB 2, bevor er am kommenden Montag nach einer neun Monate dauernden Abwesenheit - er absolvierte sein MBA-Studium an der "Berlin School of Creative Leadership" - wieder auf den Bildschirm zurückkehrt: Freitagabend fliegt er zum 25-Jahr-Maturatreffen nach Innsbruck, am Sonntag moderiert er die Abschiedsmatinee für den streitbaren scheidenden Operndirektor Ioan Holender. "Tonnen an Material. Warum ich da zugesagt habe?" stöhnt er leicht verzweifelt, als wir telefonieren. Auch das Klavierspielen wollte Armin Wolf in dieser Zeit erlernen. Gelungen ist ihm das aber nicht. "Ich hatte zu wenig Zeit. Es steht da neben mir und schaut mich an, als wollte es gespielt werden."

Im Interview erzählt Armin Wolf, was er in Berlin gelernt hat, mit welchen Gefühlen er zum ORF zurückkehrt und er nimmt zum neuen ORF-Gesetz Stellung, das am Donnerstag im Nationalrat behandelt wurde.

Herr Wolf, die Quoten von Ingrid Thurnher während Ihrer Abwesenheit waren auch nicht schlechter, die ZiB 2 hatte sogar um 12.000 Seher mehr. Giftet Sie das?
Überhaupt nicht! Erstens wünsche ich der ZiB 2 jeden Abend die allerbesten Quoten, unabhängig davon, wer moderiert. Zweitens ist Ingrid eine der populärsten Fernsehmoderatorinnen, die es in diesem Land je gab; sie hat ja auch schon 12 Jahre lang die ZiB 2 moderiert, warum sollten da die Quoten schlechter werden? Ich freu' ich über jeden Kollegen, der seinen Job gut macht.

Wie bedeutend ist denn ein Moderator dann für einen Sender?
Letztlich ist die Nachricht das Wichtigste. Wenn wirklich was passiert, das die Menschen interessiert, dann schauen sie zu, egal wer es moderiert. Außerdem ist wichtig, was in anderen Sendern davor und was dagegen läuft. Aber in einer Situation, wo jeder österreichische Haushalt 91 Fernsehkanäle hat, - mit Digitalanschluss sogar 138 - sind Moderatoren natürlich etwas Vertrautes, sie geben den Sendern ein Gesicht.

Haben Sie in den neun Monaten ZiB 2 geschaut?
Ja, aber nicht täglich, muss ich zugeben. Ich hab' mich nach 15 Jahren Nachtarbeit einfach wahnsinnig über die freien Abende gefreut und hab diese mit ganz großer Lust mit meiner Frau und den Kindern verbracht. Nicht vor dem Fernseher.

Einmal den Küniglberg besucht?
Ich war diese Woche das erste Mal wieder oben und es hat sich so angefühlt, als wäre ich erst letzte Woche da gewesen. Wie ich über den Montecuccoli-Platz gefahren bin, dachte ich: Da war ich doch erst! Schon erschreckend, wie schnell neun Monate vergehen.

So schnell wie eine Schwangerschaft.
Da die Kinder schon auf der Welt waren, als sie in mein Leben getreten sind, fehlt mir der Vergleich. – Lacht.

Hat es während Ihrer Bildungskarenz einen Tag gegeben, an dem Sie gedacht haben: Heute hätte ich aber gern eine Sendung!
Da gab es zwei. Einmal in der Woche, als innerhalb von zwei Tagen die Hypo Alpe Adria in die Luft geflogen ist und tags darauf die FPÖ und das Kärntner BZÖ fusioniert haben. Da wären mir schon ein paar Fragen eingefallen.

An wen?
Scheuch, Strache, Dörfler. Es gab aber auch das genaue Gegenteil. Als Karl Heinz Grasser bei Ingrid Thurnher war, dachte ich: Sabbatical ist super!

KHG hingegen meinte einmal: "Ich hab Sie schon vermisst, Herr Wolf!" Das können Sie über ihn nicht behaupten?
Lange Pause. - Die Frage ist charmant. - Noch eine Pause. - Sabbatical ist wirklich super.

Welchen Politiker haben Sie am allermeisten vermisst?
Ehrlich, ich vermisse meine Familie und meine Freunde, wenn ich sie nicht sehe. So weit, dass ich Politiker vermisse, bin ich in meiner Abhängigkeit vom Beruf noch nicht gekommen. Das halt' ich ganz gut neun Monate aus.

Wie provinziell kommt Ihnen Österreich vor, nachdem Sie in Berlin und London studiert haben?
Nicht anders als vorher. Ich war fast zehn Jahre lang Außenpolitik-Redakteur und Korrespondent in Washington, erst danach wurde ich innenpolitischer Journalist. Also diese Relationen waren mir schon vorher klar. Und Wien ist eine großartige Stadt.

Ist Berlin mit seinem schwulen Bürgermeister weltoffener als Wien?
Berlin ist natürlich größer und momentan mag dort mehr los sein. Ich könnte es tadellos aushalten, dort zu leben. Ich lebe aber sehr, sehr gern in Wien. Und die sexuelle Orientierung des Bürgermeisters ist mir persönlich nicht so wichtig, ehrlich gesagt.

Sie haben ja mit Ihrer legendären Unabhängigkeits-Rede 2006 ein politisches Erdbeben ausgelöst: Hat sich, wenn Sie ganz selbstkritisch sind, was geändert?
Es hat sich schon was ganz Wesentliches geändert. In der Information redet uns seit 2007 niemand mehr drein. Wir berichten ausschließlich nach journalistischen Kriterien das, was wir berichten wollen, da gibt's keinen Druck mehr, von keiner Seite. Was den politischen Einfluss auf den ORF insgesamt betrifft, so hat sich, wenn man die Verhandlungen rund um das ORF-Gesetz gesehen hat, fürchte ich, wenig geändert, nur dass jetzt halt eine andere Koalition am Zug ist. Grauslich.

Leistet sich da das Parlament einen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender?
Den Sender leisten sich, Gott sei Dank, die Gebührenzahler. Und dafür bekommen sie jeden Tag sehr viel und oft sehr gutes Fernseh- und Radioprogramm. Aber es gibt Parteien, die gerne im ORF vorkommen wollen, und zwar offenbar nicht nur im Programm, sondern auch in bestimmten Positionen.

Der ORF kriegt jetzt eine Geldspritze von 160 Millionen Euro, zu Recht?
Ich finde, ja. Diese Gebührenrefundierung stünde dem ORF schon lange zu. Würde der Nationalrat beschließen, dass der KURIER die Tageszeitung an alle Arbeitslosen und sozial Schwächer gestellten verschenken muss, würde die Geschäftsführung zu Recht sagen: Okay, aber dann gebt uns das Geld zurück, warum sollen wir unser Produkt verschenken? Das gleiche ist im ORF passiert. Der Gesetzgeber hat beschlossen, dass wir von ganz vielen Leuten keine Gebühren verlangen dürfen, da ist es doch nur normal, dass uns der Gesetzgeber den Einnahmenausfall ersetzt. Eh viel zu spät und nicht annähernd in vollem Umfang. Andere Dinge, die in diesem Gesetz stehen, sind extrem problematisch.

 

Das Aus für die Futurezone etwa?
Der gesamte Online-Bereich. In den letzten Tagen sind da offenbar Online-Beschränkungen hineinverhandelt worden. Das man gerade jenes öffentlich-rechtliche Medium, mit dem man in Zukunft am ehesten junge Leute erreichen wird, derartig beschneidet, ist ja schon bemerkenswert weitsichtig. Wie kann irgendjemand auf die Idee kommen, gesetzlich zu verbieten, dass man ZiB-Beiträge im Internet mit Facebook verknüpft und sie so zu tausenden jungen Leuten bringt, die im Fernsehen keine Nachrichten schauen. Das ist doch völlig absurd.

Verstehen Sie die Kampagne der Privatsender, die zum Protest gegen diese Geldaufstockung aufrufen?
In jeder Branche hätten die Kleineren gern, dass der Größere ein bisschen kleiner wird. Das versteh' ich eh gut. Letztlich glaube ich aber trotzdem, dass wir das bessere Programm machen.

Scharfe Kritik muss sich Alexander Wrabetz gefallen lassen, weil er sich mit Dominik Heinzls Chili und den alteingesessenen Seitenblicken gleich zwei Societyformate leistet, noch dazu zur selben Zeit. War das nicht eine absurde Entscheidung?
Von Fernsehunterhaltung versteh' ich wirklich gar nix. Es interessiert mich nicht, ich schau es nicht. Als Journalist wünsche ich mir lediglich, dass es für die Information mindestens genau so viel Geld gibt wie für die Unterhaltungs- und Gesellschaftsberichterstattung. Denn letztlich ist sie für das Land doch ein bisschen wichtiger.

Bereiten Sie sich für kommenden Montag besonders vor?
Momentan bereite ich mich sehr gewissenhaft auf die Holender-Matinee am Sonntag vor. So ein 90-Minuten-Interview über eine 19-jährige Ära ist ein aufwändigeres Stück. Ich habe tausende Seiten Material. Ich glaube aber schon, dass ich am Montag ein bisschen nervös sein werde. Nach so langer Zeit wieder live vor der Kamera zu sein, das wird schon ein besonderer Moment sein.

Sieht Armin Wolf noch genauso aus wie vorher?
Ja, wieder. Ich hatte bis jetzt einen Bart.

Gemein! Schnauzbart?
Nein, keine Rotzbremse. Vollbart. Wir haben's aber am Dienstag vor der Kamera ausprobiert, und da hat's nicht gut ausgesehen, also kam er um Mitternacht runter. Ich fand's eh ein bissel schad.

Was hat bitte nicht gut ausgesehen?
Ich fand's nicht schlecht, vor allem meiner Frau hat's sehr gut gefallen. Aber Ariane Rhomberg, die im ORF für die "visuelle Präsentation" zuständig ist, war zu Recht skeptisch. Das Problem war, dass der Bart nicht ganz einfärbig war, sondern am Kinn grau, fast weiß und das hat am Schirm in manchen Einstellungen seltsam gewirkt.

Zebra oder Dalmatiner?
Irgendwo dazwischen…

Beneiden Sie Danielle Spera, die im Sommer die Leitung des Jüdischen Museums übernehmen wird, für ihren eleganten Ausstieg aus dem Nachrichtengeschäft
Da ich jetzt nicht das Jüdische Museum übernehmen wollte und auch kein anderes: Nein. Aber ich glaube, dass die Dani genau das macht, was zu ihr passt und was ihr Spaß macht. Und das ist großartig. Wenn mich mein Job eines Tages einmal nicht mehr so freuen sollte, würde ich mir auch wünschen, dass etwas daherkommt, was mir noch größeren Spaß macht.

Sie haben einmal gesagt- das war 2004 -, dass Sie in 10 Jahren vielleicht hauptberuflich als Universitätsprofessor an einer Fachhochschule unterrichten werden. Ist das noch ein Wunsch?
Hab' ich das so konkret gesagt? Universitätsprofessor war ja mein Traumberuf, als ich begonnen habe zu studieren. Ich fürchte, das wird sich nicht mehr ausgehen. Aber ich gehe davon aus, dass ich nicht bis 65 die ZiB 2 moderieren und auch nicht bis 65 Journalist sein werde.

Hat sich in Berlin und London eine weitere Zukunftsvariante ergeben?
Ich hab' viele spannende Dinge gelernt, aber ich habe nicht unmittelbar beschlossen, dass ich jetzt ganz was anderes aus meinem Leben mache.

Sind Sie dem ORF eigentlich dankbar? Kein Privatsender würde seinem Anchorman erlauben, sich ein Dreiviertel Jahr lang weiterzubilden.
Warum? Ich bin sogar ziemlich sicher, dass mir ATV oder Puls 4 das auch zugestanden hätten. Ich fand das nicht soo ungewöhnlich. Und man hat eh gesehen: jeder Mensch ist tadellos ersetzbar. Ich glaube nicht, dass die ZiB 2-ZuseherInnen in den letzten neun Monaten schlecht bedient waren. Ich hab' den ORF keinen Groschen gekostet, habe mir das alles selbst finanziert und ich komme besser ausgebildet zurück. Also ich hab' jetzt nicht das Gefühl, dass das ein Wohltätigkeitsakt war.

Und was hat der ORF davon?
Einen besser qualifizierten Mitarbeiter, der nach neun Monaten gut ausgeruht zurückkommt, nachdem er vorher 15 Jahre lang in der Nacht gearbeitet und mal eine Pause gebraucht hat. Und ich habe eine Master Thesis zum Thema "Young Audiences, Mass Media, and Political Information" geschrieben. Also 130 Seiten darüber, wie man junge Menschen in Zukunft noch dazu bewegen könnte, im Fernsehen politische Information zu konsumieren. Das ist ja für den ORF auch nicht ganz uninteressant.

Apropos besser qualifiziert: Würden sie sich eigentlich zutrauen, einmal ORF-Generaldirektor zu werden?
Nein, das wäre kein Job für mich. Das ORF-Programm besteht ganz wesentlich aus Unterhaltung, und von Unterhaltung versteh' ich nichts und es interessiert mich auch nicht.

Sie schauen weder Chili noch Seitenblicke?
Ich schau' überhaupt wenig fern. Ich geh' lieber ins Kino, ins Theater und lese.

Um mit Karl Kraus zu sprechen: Das bissl, was Sie Fernsehen konsumieren, machen Sie sich selber?
Wobei ich mich nicht mit Karl Kraus vergleichen möchte. Der ist mir um ein paar Schuhnummern zu groß.

Was war denn der allerschönste Moment in den letzten neun Monaten?
Das war jeder einzelne Abend zuhause mit meiner Familie.

Wirklich?
Ja! Ich habe in den letzten neun Monaten mehr Zeit mit unseren Kindern verbracht als in den fünf Jahren davor, weil ich bisher 15 Abende im Monat gearbeitet habe und erst um Mitternacht nach Hause gekommen bin und etliche andere Abende war ich auch beruflich unterwegs. Ich hab' das extrem genossen.

20. September 2009, erschienen im KURIER